30 Jahre Kanarenroute – aber kein Grund zum Feiern. Die Kanarenroute ist seit 30 Jahren die gefährlichste Migrationsroute nach Europa. Tausende Menschen haben ihr Leben auf dem Weg verloren.
30 Jahre Kanarenroute: kein Grund zum Feiern – 30 Jahre tödliche Überfahrten
Der Beginn der Kanarenroute (1994)
Am 28. August 1994 eröffneten zwei junge Saharauis unwissentlich die Kanarenroute, als sie mit einem Fischerboot auf Fuerteventura landeten. Vom Licht des Leuchtturms von La Entallada geleitet, gelangten sie zum dem afrikanischen Kontinent nächstgelegenen Punkt der Kanarischen Inseln. In den folgenden 30 Jahren versuchten fast 230.000 Menschen, diese gefährliche Seeroute nach Europa zu nutzen, die sich zu einer der tödlichsten der Welt entwickelt hat. Die hohe Sterblichkeitsrate entlang dieser Route wird von den Vereinten Nationen immer wieder betont. Es wird geschätzt, dass Tausende Menschen ihr Leben auf der Reise verloren haben.
Das erste Schiffsunglück (1999)
Im Juli 1999 ereignete sich das erste dokumentierte Schiffsunglück auf der Kanarenroute. Ein Skiff mit neun jungen Marokkanern sank 300 Meter vor der Küste von Fuerteventura. Die Männer, die eine hohe Summe für die Überfahrt gezahlt hatten, verloren ihr Leben auf dem Weg zu einem besseren Leben in Europa. Dieses Unglück, das am Strand von La Señora stattfand, war das erste von vielen tragischen Vorfällen, die die Kanarenroute zur gefährlichsten Migrationsroute machten.
Die Cayuco-Krise (2005-2006)
Im Jahr 2005 begann ein neues Kapitel auf der Kanarenroute. Im August retteten spanische Behörden 19 Migranten in einem neuen Bootstyp, einem sogenannten Cayuco, das viel größer und robuster war als die traditionellen Pateras. Diese Boote, die bis zu 200 Menschen transportieren konnten, stammten aus weiter entfernten Regionen wie Mauretanien und Senegal. Die Anzahl der Ankünfte stieg dramatisch an: von 4.715 im Jahr 2005 auf 31.678 im Jahr 2006. Diese Periode ging als „Cayuco-Krise“ in die Geschichte ein.
Die Tragödie von Los Cocoteros (2009)
Ein weiterer Meilenstein in der Geschichte der Kanarenroute war die Tragödie von Los Cocoteros im Februar 2009. Ein Skiff sank wenige Meter vor der Küste von Lanzarote, wobei 25 der 31 Passagiere ertranken. Dieses Unglück war eines der verheerendsten in der Geschichte der Route und hinterließ einen tiefen Eindruck auf den Kanarischen Inseln. Obwohl es nicht das tödlichste Schiffsunglück war, bei dem manchmal ganze Cayucos mit über hundert Menschen untergingen, bleibt es ein Symbol für das Leid und die Gefahr, die diese Migrationsroute birgt.
Die Rückkehr der Kanarenroute (2020)
Nach einem Jahrzehnt mit geringeren Ankunftszahlen auf den Kanaren, begann sich die Route im Jahr 2020 wieder zu beleben. Die COVID-19-Pandemie und die damit verbundenen wirtschaftlichen Herausforderungen führten dazu, dass immer mehr Menschen diese gefährliche Reise antraten. Die Infrastruktur zur Aufnahme der Migranten war jedoch nicht ausreichend vorbereitet. Im Herbst 2020 sorgten Bilder von über 2.500 Menschen, die tagelang auf dem Beton des Docks von Arguineguín schliefen, für Entsetzen. Diese Situation verdeutlichte die Herausforderungen, denen sich die Kanarischen Inseln und Spanien gegenübersehen.
Die Rückkehr der Cayucos (2023)
Im Jahr 2023 erlebten die Kanaren eine erneute Welle von Ankünften, die in ihrer Intensität beispiellos war. El Hierro, eine der kleinsten Inseln, verzeichnete über 14.000 Ankünfte, mehr als die eigene Einwohnerzahl. Die Rückkehr der Cayucos, die in großen Gruppen und mit Hunderten von Menschen an Bord ankamen, machte deutlich, dass die Migrationsströme auf dieser Route unvermindert anhalten. Dies führte zu einer Überlastung der Kapazitäten und stellte die Inseln vor enorme Herausforderungen.
Herausforderung durch minderjährige Migranten (2024)
Die Ankunft von Tausenden minderjährigen Migranten stellt die Kanarischen Inseln vor eine weitere große Herausforderung. Das Netzwerk zur Betreuung dieser jungen Menschen ist völlig überfordert. Während 1999 die Aufnahme von 150 Minderjährigen schon als Problem angesehen wurde, sind es nun fast 6.000 Kinder und Jugendliche, die betreut werden müssen. Die Kanaren fordern daher erneut Unterstützung vom spanischen Staat und anderen Regionen des Landes, um die Lasten zu verteilen. Die Situation erinnert an die Herausforderung, der sich auch andere Länder wie die USA gegenübersehen, und zeigt die globalen Dimensionen dieses Problems auf.
weiterführende Links: Migrationskrise ARD , UN-Bericht zur Kanarenroute